Bericht von Harkara:

Als internationales Team sind wir am 21.9.2010 den Ärmelkanal von Dover nach Calais geschwommen. Wir benötigten 13 Stunden und 41 Minuten.

Mitglieder des Teams sind von links nach rechts:

Viharin (Tschechien, Prag)
Harkara (Deutschland, Augsburg)
Angikar (Serbien, Nis)
Jatansheel (Deutschland, Heidelberg)
Mahakulina (Slowenien, Ljubljana)
und unser selbstloser Helfer Vlado (Tschechien, Prag)

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11.September

Heute kamen Jatnasheel und ich (Harkara) Abends in Dover an. Viharin, Mahakulina und Vlado sind bereits 2 Tage früher angereist und haben und einen freundlichen Empfang bereitet. Es gab ein leckers Essen und wir hatten schon viel Spass zusammen.

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12.September

Heute sind wir das erste Mal im Kanal trainieren gewesen. Das Wasser ist mit 17°C nicht so kalt wie erwartet, aber es kostet schon erst Überwindung, wenn man rein geht. Bei meinem Kaltwassertraining war es mit 14°C viel kälter, das fühlt sich wie ein sticheln auf der Haut an und alles wird rot. Aber ab jetzt ist das Wort "kalt" und "frieren" verboten!!

Das Wetter war super, blauer Himmel mit einem mittelstarken Wind. Am Vormittag bin ich 40 Minuten geschwommen und hatte etwas Schwierigkeiten meinen Rythmus zu finden. Am Abend waren es dann 45 Minuten und es lief super gut.

Die Atmosphäre ist genial, es trainieren ca. 15 Kanalschwimmer an dieser Stelle.

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13.September

Das geniale am Kanalschwimmen oder "open water swim" generell ist, dass man essen kann wie ein Scheunendrescher und man Fett aufbauen möchte um eine gute Isolierung zu haben, sozusagen Biopren anstatt Neopren. Nach den Reglen der "Channel Swimming Association" sind nur eine Badehose, eine Bademütze, Schwimmbrille und Ohrstöpsel erlaubt, sonst kommt die Überquerung nicht in die Wertung. D.h. die Isolierung gegen das k.., (upps) nicht so warme Wasser geht nur mit dem körpereigenen Fett oder man schwimmt so schnell, das man warm bleibt.

Heute kam Angikar unser 5. Teammitglied an. Er ist am 8. August 2010 den Kanal schon erfolgreich als Soloschwimmer geschwommen. Er brauchte 19 Stunden und 24 Minuten und sagte ohne Supreme-Grace wäre es nicht möglich gewesen. Die längste Strecke, die er vorher geschwommen ist, war 8 Stunden... unglaublich - oder auf gut Disciple-deutsch: mind-blowing. Er hat auf jeden Fall ordentlich Biopren.

Heute Nachmittag hat sich das Wetter verschlechtert und es stürmt ziemlich und regnet ein wenig. Kein Problem, beim Schwimmen wird man eh nass. Aber der Wind führt selbst beim Schwimmen zu einem Chill-factor, d.h. die Arme und Schultern ragen ja aus dem Wasser und werden abgek.. (mhh wie sage ich das jetzt) nicht aufgewärmt, sondern das Gegenteil. Die Wellen sind eine zusätzliche Herausforderung. Mir hat es irre Spass gemacht, man spürt die Dynamik des Ozeans und spielt mit den Wellen, bzw. die Wellen spielen mit einem.

14.September

Stellt euch vor ihr seid in Bali am Strand. Es ist knalle heiß und ihr geht ins Wasser zur Abkühlung, aber das Wasser ist fast so warm wie die Luft und deswegen nicht erfrischend. So ist es gerade in Dover, Wasser- und Lufttemperatur 17°C. Zum Glück weht aber eine starke Briese, so dass es nicht so schwül wie in Bali ist :) Durch den starken Wind war das Schwimmen heute wie in einer Waschmaschine im Schleudergang.

Die Boys meinen, ich sehe aus wie ein Außerirdischer (Alien):

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Heute haben wir unseren Boots-Kapitän getroffen. Er ist sehr nett, ein echter englischer Gentleman. Wir sind jetzt in zweiter Position, d.h. vor uns kommt ein Einzelschwimmer dran. Voraussichtlich werden wir Samstag um 4:00 Uhr morgens starten.

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Unser Tagesablauf sieht folgendermaßen aus:
8:30 Kanalschwimmen-Meditation auf Gottes Gnade und Channel-Song singen
9:00 Schwimmen 45 bis 60 min, je nach persönliches Ziel
ab 10:30 Aufwärmen
kochen, essen, essen, essen
15:00 ausruhen, schlafen
16:45 Kanalschwimmen-Meditation
17:15 zweite Schwimm-Session
kochen, essen, essen, essen
auschillen und ins Bett fallen
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15.September

Heute waren wir an einem Sandstrand bei Folkestone. Die Sonne schien und der Himmel war blitzeblau. Sonne und Sandstrand, wow... aber heute viel mir das Schwimmen schwer.

Um 17:00 sind wir dann nach London zur Meditation gefahren. Wir wurden herzlich empfangen und es gab ein riesen Prasad. Die Schwimmer durften zuerst nehmen und es war ziemlich klar, wer hier die Schwimmer sind... alle mit "etwas" Übergewicht und breiten Schultern. Das üppige Prasad war wohl eine zufällige Ausnahme, vom Supreme speziell für uns arangiert. Die Meditation war sehr schön und wir hatten viel Spass danach beim "small talken".

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16.September

Jetzt sind wir wieder zum Sandstrand gefahren. Ist einfach angenehmer für die Füsse über den Sand zu laufen, anstatt dicke Kieselsteine wie in Dover und gibt einem so ein Urlaub-Feeling.

Eigentlich wollte ich heute pausieren, da sich gestern meine Muskeln sehr müde anfühlten, habe dann aber beim Meditieren direkt ein Gedicht über Lethargy (Faulheit) aufgeschlagen und dies als einen "Wink mit dem Zahlpfahl" interpretiert. Mahakulina meinte dann auch noch: "letzter Tag zum Trainieren, morgen ist Pause". Ok, ok rein ins erfrischende Nass.
Ich bin eine Stunde geschwommen und es lief suuuuuper gut. Ich fühlte mich wie ein Torpedo, so schnell bin ich durch das Wasser geflitzt.

Auf einmal ist Mahakulina neben mir. Er ist unser schnellster Schwimmer und kann mindestens 4km/h schwimmen. Wow, ich kann mit ihm mithalten, man bin ich heute schnell. Ohh nein, er wollte nur wissen wie spät es ist und ist dann abgeflitzt, keine Chance sein Tempo auch nur annähernd mitzuhalten. Ich war trotzdem glücklich, da ich meine eigene Geschwindigkeit tranzendiert habe.
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17.September

Heute früh hatte unser Bootskapitän leider eine schlechte Nachricht für uns, der Wind ist zu stark und wir können nicht am Samstag früh starten, d.h. weiter warten. Mein Verstand war auf eine Pause vorbereitet und musste das erst einmal verarbeiten.

Diesmal haben wir ein paar lustige Aktionen im Wasser gemacht, Synchron-schwimmen, Rumplanschen, usw. Wir vertragen alle die Wassertemperatur immer besser. Der Körper ist schon eine geniales Instrument, er kann sich auf alle Gegebenheiten einstellen.

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Am Nachmittag kam BBC um uns und andere Kanalschwimmer zu interviewen. Sie wollen eine Dokumentation über die "Kanalschimmen-Industrie" machen. Das war eine interessante Erfahrung.

18.September

Man kann sagen: "same procedure as everyday", der gleiche Ablauf wie jeden Tag. Diesmal waren wir jedoch wieder in Dover Schwimmen. Dort ist das Trainieren viel ernster als in Folkestone und es liegt eine Kanalschwimmenspannung in der Luft.

BBC hat uns gefilmt, wie wir synchron losschwimmen, gut das wir einen Tag vorher geübt haben :)

Am Abend hat Mahakulina einen super leckeren Nachtisch gezaubert, gebratene Äpfelscheiben mit Rosinen, Sahne und viiieeel Eiscreme, mhhh.

19.September

Heute morgen war ein großes "Hallo" auf unserem Caravanplatz, ein australischer Soloschwimmer, eine australische Soloschwimmerin, ein irischer Soloschwimmer und ein Team haben den Kanal besiegt! Die Australierin war total aufgedreht, sie hat 11h und 3 Minuten gebraucht. So ziemlich jeder Schwimmer kennt das Sri Chinmoy Marathon Team und ist begeistert vom Zürichsee-Schwimmen. Die Austalierin trug ein T-Shirt vom Zürichsee-Schwimmen beim Interview mit der BBC und sagte zu uns: "I love Sri Chinmoy". Sie war auch schon auf Veranstaltungen in Australien. Wegen all dem Gratulieren und Reden waren wir erst um 12:00 Uhr am Hafen zum Trainieren.

Dort trafen wir Kevin Murphy. Er ist mit 34 erfolgreichen Überquerungen der König des englischen Kanals. Um 16:00 Uhr haben Evelyn und David, die Vermieter unserer Unterkunft, eine Party organisiert, um die Erfolge zu feiern. Kevin Murphy und seine Frau waren auch eingeladen und haben uns viele Geschichten erzählt und Tipps gegeben.

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20.September

Hurra für morgen sind ieale Wetter-Bedinngungen vorausgesagt. Der Bootskapitän gab sein ok, wir starten morgen Dienstag um 6:00 Uhr lokale Zeit (7:00 Mitteleuropäische Zeit). Wir sind noch einmal entspannd schwimmen gegangen. Es war sehr stürmisch und eine gute Übung wie man bei hohen Wellen schwimmt und atmet.

Wir wollten eine Satellit-Tracker mieten, wo ihr in Echtzeit unsere Überquerung sehen könnt. Mike Oram war nicht sicher, ob der Tracker rechtzeitig zu Verfügung steht. Den Tracker kann man unter folgender Adresse beobachten:

http://www.ais-doverstraits.co.uk/

Dort Satellite-Tracker Nummer 4 anklicken.

21. September

Hurra, wir haben es geschafft!

Wir hatten optimale Bedingungen für unser Kanal-Schwimmen. Die Sonne schien und die Lufttemperatur war zwischen 17°C und 20°C. Das Wasser war ruhig und 17°C "warm". Es hatte fast kein Wind, nur die Gezeitenströmung war schon ein wenig stärker, da wir am Ende der Niedrig-Tide schwammen.

Bessere Bedingungen kann man fast nicht haben, so wurde die Überquerung zu einer entspannten Bootsfahrt mit kraftvollen Schwimmeinlagen. In der Staffel schwimmt jeder eine Stunde und hat dann 4 Stunden Pause um wieder eine Stunde zu schwimmen. Deshalb konnte man in der Stunde Schwimmen wirklich 100% geben.

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Unser Start war um 6:58 Uhr und der Tag begrüßte uns mit einem wunderschönen Sonnenaufgang. Die Schwimmer-Reihenfolge war vom schnellsten Schwimmer zum langsamsten Schwimmer: Mahakulina, Viharin, Jatnasheel, Harkara, Angikar.

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Allen ging es gut, niemand wurde seekrank, außer unser selbstloser Helfer Vlado. Obwohl er leicht seekrank war, half er uns trotzdem.

Nach 10 Stunden meinte der Kapitän, wenn wir uns jetzt nicht ranhalten, dann trägt uns die Strömung am Ziel Cap Gris Nez vorbei und wir müssen mindestens 5 Stunden mehr schwimmen. Mahakulina war als nächstes an der Reihe und so legte jeder noch ein Brikett drauf und gab alles. Man konnte Frankreich schon deutlich sehen, aber man wird durch die Strömung parallel zur Küste abgetrieben. Für ca. 20 Minuten begleiteten uns drei Delfine. Das war ein tolles Erlebnis!

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Jatnasheel schwam schon in der Dämmerung und bei mir war es dann total dunkel. Ich hatte die große Ehre der Finale Schwimmer zu sein. Damit die Bootsbesatzung den Schwimmer noch sehen kann, trägt man eine Lampe an der Badekappe und an der Hose.

Kurz vor dem Ziel bleibt das Boot stehen, da es nicht bis an das Ufer fahren kann. Angikar kam mit ins Wasser und wir schwammen gemeinsam bis zu den Klippen von Cap Gris Nez. Meine Muskeln brannten und ich konnte gerade so mit dem ausgeruhten Angikar mithalten. Kurz vor den Klippen sieht man schon die Felsen Unterwasser. Nur noch ein paar Meter, meine Arme waren schwer wie Blei, da ich vorher die ganze Zeit schnell gesprintet bin. Dann spürte ich die Felsen unter meinen Füssen und bin vorsichtig heraus geklettert. Die Felsen sind messerscharf, da sie voller Muscheln sind, ich habe zum Glück nur ein paar leichte Kratzer abbekommen. Geschafft!! Alle sind glücklich.

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Wir benötigten 13 Stunden und 41 Minuten und sind das erste Männer Team vom Sri Chinmoy Marathon Team seit 25 Jahren die ihren Versuch erfolgreich beendeten - und das zweite das die Herausforderung annahm. Das erste Team scheiterte 1985 wegen der Kombination aus Seekrankheit, starken Wind, 13°C kaltem Wasser und Dunkelheit.

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